29 Zachäus


Zachäus komm schnell - Heute mus ich dein Gast sein

Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - LK 19,1-10

 

"Und nach Jericho gekommen, wollte er hindurchziehen. Und da! Es war ein Mann, mit Namen Zachäus gerufen. Und der war ein Oberzöllner; und er war reich. Und er suchte zu sehen, wer Jesus ist, doch er konnte es nicht der Leute wegen; denn er war klein von Wuchs. Und so lief er nach vorn voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er hindurchziehen. Und wie Jesus an den Ort kam, blickte er auf und sprach zu ihm: Zachäus, schnell steig herab. Denn heute muss ich in deinem Hause bleiben. Und schnell stieg er herab und nahm ihn mit Freuden auf. Und die es sahen, nörgelten alle und sagten: Zu einem sündigen Mann ist er gegangen, um einzukehren. Zachäus aber stellte sich hin und sprach zum Herrn: Da! Die Hälfte von meinem Hab und Gut, Herr, gebe ich den Armen. Und wenn ich jemand ausgebeutet habe, gebe ich es vierfach zurück. Sprach Jesus zu ihm: Heute ist Rettung diesem Haus widerfahren, weil auch der ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten das Verlorene."


Predigt im Jahreskreis 2013


Reichtum bringt per se kein Glück

Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde, Schwestern und Brüder in Christus Jesus,

eine interessante und tiefgründige Geschichte aus dem sogenannten Sondergut des Evangelisten Lukas, haben wir soeben gehört. Jesus begegnet Zachäus, dem – wie es im Urtext heißt – obersten Zollpächter. Zachäus war also nicht einfach nur Zöllner, sondern – im Dienst der Römer stehend – der oberste Chef einer ganzen Gruppe von Zöllnern. Er trug eine Uniform und hatte selbst ein großes Haus mit eigenen Bediensteten. Von nichts – kommt nichts, dachte er und wurde ein tüchtiger Geschäftsmann. Ja – zweifellos hatte es Zachäus durch seine Steuereintreiberei zu etwas gebracht. Aber – wer will schon mit einem Betrüger etwas zu schaffen haben? Ein solch skrupelloser noch dazu. Einer, der nichts anderes tut, als den Leuten ihr ehrlich verdientes Geld aus der Tasche zu ziehen. Und – je mehr er herauszog, desto größer auch sein eigener Gewinn. Nein, sagten sie: „Zachäus ist niemals einer von uns. Ein Verräter – ein Sünder ist er. Wir hassen und wir verachten ihn zutiefst.“

Reichtum, Besitz und Macht brachten also per se kein Glück. Der Preis dafür aber – er war sehr hoch. Ausgrenzung, Isolation, Frustration. Zachäus war bitter enttäuscht und fragte sich: „Wollte ich das - so?“ Er steckte – auf der Suche nach dem Sinn seines Lebens – in einer tiefen Krise. Da erfährt er – heute kommt Jesus, der Wunderheiler. Der, von dem alle reden und der alle liebt. „Vielleicht mal eine ganz schöne Abwechslung. Ich will mir das mal aus der Nähe anschauen.“ Wer aber lässt schon einen Zöllner, dazu noch einen klein gewachsenen wie Zachäus, im Gedränge nach vorn? Er hatte nicht die geringste Chance. Es blieb ihm also, wollte er Jesus nicht verpassen, nichts anderes übrig, als schnell vorauszueilen und dort, wo dieser wahrscheinlich vorbeikommen wird, auf einen Baum – einen Maulbeerfeigenbaum – zu steigen. Nun – hier oben war er erst mal sicher und konnte alles gut und weit hinein überblicken. Vor allem auch sein trauriges und unglückliches Leben. Vielleicht, so hoffte er, gibt es ja auch für mich noch mal eine Chance?

Als nun Jesus tatsächlich kam, ging er nicht wie alle anderen an ihm vorüber, sondern er blieb stehen und schaute zu ihm hinauf. Immer wieder erfasste Jesus die Menschen alleine dadurch, wie er sie anschaute. Vermutlich hat auch Zachäus sich noch von Niemandem so angeschaut gefühlt, wie gerade von Jesus in diesem Augenblick. Vermutlich dadurch spürte Zachäus erstmals so etwas wie Vertrauen und Respekt und Wertschätzung; was so viel heißt wie: Du bist mir etwas wert. Jesus schenkte ihm also – vor allen anderen – das Ansehen, nach dem er sich so lange gesehnt hat. „Zachäus“, Jesus begegnet dem Zöllner auf Augenhöhe, „Komm schnell, die Zeit drängt. Denn heute muss ich in deinem Haus zu Gast sein.“ Jesus sagt nicht, ich möchte gerne oder ich wünsche; Nein – sondern „Ich muss“. Jesus sagt auch nicht, im Haus des Hohenpriesters oder im Haus des Bürgermeisters; Nein – sondern „In deinem Haus Zachäus“ – im Haus also des verhassten Zöllners muss Jesus heute zu Gast sein. Was für ein Skandal? Einmal mehr durchbricht Jesus alle gesellschaftlichen Normen und Tabus und läuft erneut Gefahr, selbst angefeindet und ausgestoßen zu werden – wie es für ihn ja dann auch wenig später kam. Nun – Zachäus erfährt Heilung; er kehrt um und ist fortan guten Willens, seine Fehler wieder gut zu machen.

Aber – Jesus ist heute auch unser Gast und er frägt deshalb auch jeden von uns – ganz persönlich: Wo bereicherst Du dich – auf Kosten von Anderen? Wenn die Natur ausgequetscht, Leben und Lebensraum zerstört, alle fünf Sekunden ein Kind an Hunger stirbt? Ist es, wie wir unsere Güter verteilen, gerecht? Eine Gesellschaft, in der Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden?

Ist es gerecht, wie wir mit unseren Randgruppen - den Häftlingen, den Armen, den Asylanten – umgehen? „Wir bitten Dich – Gott Vater – um Verzeihung für unsere Gleichgültigkeit und unsere Bequemlichkeit“, so betete Papst Franziskus vor drei Monaten in Lampedusa.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus Jesus,

„Du – bist – mir – etwas – wert“. Liebe ist eine Kraft, die verwandelt. Sie kann einen Menschen grundlegend verändern. Die Liebe, so wie Jesus sie uns vorgelebt hat, heilt und befreit. Was Mahnungen und Strafen nicht erreichen – die Liebe schafft’s. Sie befreit von Verbitterung, von Verzweiflung, von Hartherzigkeit. Sie öffnet den Blick für die Mitmenschen und für Gott. Deshalb sagt auch Paulus – ein wie Zachäus durch Gottes Liebe Verwandelter: „Alles kannder liebt“. Amen.