30 Papst Franziskus I


Bewahr die Schöpfung

Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - MT 16,13-20

 

"Als Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi gekommen, fragte er seine Jünger und sagte: Was sagen die Menschen, wer der Menschensohn sei? Sie sprachen: Die einen – Johannes der Täufer; andere – Elija; wieder andere – Jeremia oder einer der Propheten. Sagt er zu ihnen: Ihr aber – was sagt ihr, wer ich sei? Da hob Simon Petrus an und sprach: Du bist der Messias, der Sohn Gottes – des Lebendigen. Jesus aber hob an und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona! Denn nicht Fleisch und Blut hat dir das enthüllt, sondern mein Vater – der in den Himmeln. Ich sage dir aber: Du bist Petrus, das heißt „Fels“, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Und die Tore der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Dir werde ich die Schlüssel zum Königtum der Himmel geben. Und was immer du bindest auf Erden – gebunden wird es sein in den Himmeln. Und was immer du lösest auf Erden – gelöst wird es sein in den Himmeln. Darauf herrschte er die Jünger an: Sie sollten niemand sagen, er sei der Messias."


Predigt an Sylvester 2013


Weck den Franziskus in Dir

Fratelli e Sorelle, Buonasera – Liebe Brüder und Schwestern, guten Abend,

mit diesen Worten wandte sich, ein mir bis dato fremder Mann, am Abend des 13. März 2013 auf der Loggia des Peterdoms an die Menschen in aller Welt. Habemus Papa hieß es kurz zuvor – der Argentinier und Jesuit Jorge Mario Bergolio war neuer Papst. Auf den Einblendungen unten am Bildschirm war zu lesen: Franziskus I – Alter 76 – Anwalt der Armen. Erstmals in der Geschichte wurde noch zu Lebzeiten des Vorgängers ein neuer Papst gewählt. Schon wie er heraustrat – auf den Balkon – abwartend, bescheiden, den Augenblick erspürend, gefiel mir ebenso, wie der gewählte Name Franziskus. Ich hoffte sehr, dass die Namenswahl in der Spiritualität und im Lebensentwurf des auch mir sehr nahestehenden Bruders Franz von Assisi, begründet lag. Erst später wird man erfahren, dass Cláudio, einer seiner Freunde, ihm kurz zuvor noch zugeflüstert hatte: „Vergiss die Armen nicht“. Wie er dann einfach und frei aus seinem Herzen herausredete, sich bedankte, betete und immer wieder auch mal lächelte, wurde mir immer klarer: Gerade hatte etwas Neues begonnen. Eine neue Kraft, ein neuer Geist bricht sich seine Bahn. Und er wird mich – und ich hoffe, uns alle, in seinen Bann ziehen.

Tage später, bei seiner ersten Predigt, sagte er auf die Frage, um welche Macht es sich beim – von Jesus verliehenen – Petrusamt eigentlich handle? „Er – der Stellvertreter Petri – muss das Volk behüten und beschützen; gerade die Armen, die Fremden, die Obdachlosen, die Nackten und die Kranken. Nur wer mit Liebe dient, kann behüten und beschützen.“ Dann fügte er hinzu: „Lasst uns auch die ‚Hüterder Schöpfung, des in die Natur hineingelegten Planes Gottes sein. Lassen wir nicht zu, dass Zeichen der Zerstörung und des Todes den Weg dieser unserer Welt begleiten“.

Jetzt war also sein Programm, das, wofür er sich als Papst einsetzen und auch kämpfen wird, klar. Bedingungsloser Liebesdienst am Nächsten einerseits – und die Wahrung der Schöpfung andererseits. Die Kirche wird sich wandeln, das heißt, sich pastoral neu besinnen müssen, um wieder näher bei den Menschen zu sein und um auch wieder mehr Freude und Begeisterung erfahrbar zu machen. Aufbruch, missionarische Kreativität und großherzige Nächstenliebe sind deshalb die Schlüsselworte seines Apostolischen Schreibens vom 24.11.2013 – Evangelii Gaudium – die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute. Die Presse schrieb: „Eine Revolution – eine, von oben.“

Nun – was heißt dies aber für jeden einzelnen von uns ganz konkret? Es heißt zunächst einmal: Sei bescheidener und demütiger – vor allem materiell und finanziell. Widersetz dich der Macht des Geldes und der Spekulation. Widersetz dich auch einer Kultur des Verschwendens und Wegwerfens, vor allem von Lebensmitteln; wo weltweit fast eine Milliarde Menschen – überwiegend Kinder – hungern, und, in von uns produzierten Müllbergen, unmenschlich und erbärmlich hausen. Hilf den Bedürftigen und den am Rande der Gesellschaft Stehenden. Sei Du ihr Anwalt und setz Du dich für sie ein. Und – wenn‘s sein muss – kämpfe für mehr Geschwisterlichkeit und mehr soziale Gerechtigkeit. Achte, bewahre und beschütze die Natur – vor allem die Pflanzen und die Tiere. Stoppt den rücksichtslosen, vom Menschen selbst verursachten Raubbau an der Natur wie z. B. die Ölförderung, die Abholzung der Regenwälder und die Umweltverschmutzung. Stoppt die Tierversuche und die Massentierhaltungen, wo Tiere eben nicht artgerecht, sondern als reine Verfügungsmasse des Menschen zur Gewinnmaximierung, gehalten werden. Dazu ein Beispiel: Laut bestehendem EG-Recht dürfen auf einem Quadratmeter bis zu neun Legehennen gehalten werden. In einem vier mal fünf Meter großen Raum – etwa so groß wie ein Wohnzimmer – sind dies vier mal fünf mal neun, also 180 Tiere.

„Da ich berufen bin, selbst zu leben, was ich von den anderen verlange, muss ich auch an eine Neuausrichtung des Papsttums denken“, so Franziskus. Schauen wir deshalb kurz auf seine Taten im vergangenen Dreivierteljahr.

  • Seine spontane Reise nach Lampedusa, wo er mit Überlebenden sprach, den Insulanern dankte und für unsere Gleichgültigkeit um Vergebung bat. In einem anderen Zusammenhang spricht er später von einer Globalisierung der Gleichgültigkeit;
  • Oder sein Besuch im Jugendgefängnis Casal del Marmo in Rom, wo er 12 Häftlingen die Füße wusch;
  • Oder sein Auftritt beim Weltjugendtag in Rio, wo er brasilianische Armenviertel besuchte und dazu aufrief, sich einzumischen, notfalls auch für Unruhe zu sorgen, um gegen bestehende Korruption und soziale Ausgrenzung zu kämpfen;
  • Oder sein Besuch am Grab von Bruder Franz in Assisi, wo er erneut die Armut, die Vergötterung des Geldes und die soziale Not und Ungerechtigkeit anprangerte; „Der mondäne weltliche Mensch steht dem Geist der Seligpreisungen entgegen“, sagte er dort;
  • Oder wie er ganz einfach – egal wo – Schwerstkranken und Behinderten begegnet, sie berührt und umarmt, sie streichelt und küsst. Bilder die zutiefst bewegen. Einer von ihnen wird später sagen: „Ich habe nur noch Liebe gespürt.“ Als er dann vor zwei Wochen Geburtstag hatte, lud er erneut seinen Bediensteten, Köche, Haushälterinnen und Reinigungskräfte ein – und auch ein paar Bettler und Obdachlose vom benachbarten Viertel Borgo Pio waren wieder dabei.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus Jesus,

einige Tage vor seinem Geburtstag wurde Papst Franziskus von dem New Yorker Magazin TIME als „Person des Jahres 2013“ geehrt. In der Würdigung hieß es: „In nur neun Monaten im Amt hat sich der neue Papst ins Zentrum der wichtigsten Debatten unserer Zeit gesetzt: Wohlstand und Armut, Fairness und Gerechtigkeit, Transparenz, Modernität, Globalisierung, die Rolle von Frauen, die Natur der Ehe und die Versuchungen der Macht“. Und weiter hieß es: „Der erste Nichteuropäer als Papst in 1200 Jahren hat die Kraft, die Welt zu verändern“. Seien wir ein Teil dieser Kraft und fangen wir damit, noch heute, bei uns selber an. „Wecke einfach den Franziskusin Dir“. Amen.