52 Von Frieden und Zwietracht


Öffnet ihm wenn er kommt

Textquelle: Das Neue Testament - Einheitsübersetzung, 2017 - LK 12,49-53

 

"Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter."


Predigt am 20. Sonntag im Jahreskreis 2019


Öffnet ihm wenn er kommt

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder in Christus Jesus,

schwer verdaulich – eigentlich eine Zumutung – was wir heute im Evangelium gehört haben. All meine Wünsche nach Frieden und Harmonie sind in Frage gestellt, wenn Jesus sagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern Spaltung“.

 

Kein Zweifel, Jesus war leidenschaftlich und emotional, aber auch - wenn nötig - radikal und konfliktbereit. Das Bild jedenfalls, vom ‚nur weichen und sanften‘ Jesus – es ist falsch. Egal wann, und wo – er sagte immer seine Meinung und stellte sich den Konflikten – so wie er war, offen, ehrlich, der Wahrheit verpflichtet. Wie Jeremia war auch er gesandt, den Menschen das Wort Gottes zu verkünden, sie wachzurütteln, sie zur Umkehr zu rufen. Das hörte man nicht unbedingt immer gerne. Oft führte es zu Widerstand. Denn: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“. Da gab‘s für Jesus keinen Kompromiss. Er selbst war auf dem Weg nach Jerusalem und wusste, dass ihm dort ein Konflikt auf Leben und Tod mit den politischen und religiösen Führern Israels bevorstand. Dabei war er, gegenüber den Gelehrten und den Priestern, wenig zimperlich, manchmal gar grenzwertig – in Wort und in Tat. Denken wir nur an sein Urteil über die Pharisäer - oder an die Tempelreinigung - oder an sein Auftreten gegenüber der eigenen Familie, vor allem seiner Mutter. Dies wurde beileibe nicht von allen verstanden, geschweige denn gebilligt.

 

„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“. Diese Worte sind uns vertraut. Heute aber sagt Jesus: „Meint ihr, ich bin gekommen, um Frieden zu bringen? Nein, nicht Frieden, sondern Spaltung“. Diese Konfliktbereitschaft Jesu will uns folgendes lehren: Echter Friede ist niemals 'billig' zu haben. Er muss - meist durch Konflikte hindurch - erkämpft werden. Es gibt nämlich auch einen sozusagen ‚faulen‘ Frieden. Dann, wenn man ‚faule‘ Kompromisse macht - wenn Dinge unter ‚den Teppich gekehrt werden‘ - wenn Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrheit oder die Wahrung der Menschenrechte geopfert werden. Wenn es z.B. heißt:

  • Frieden schaffen durch Aufrüstung - mit immer mehr Waffen - jetzt wieder Atomwaffen?
  • Arbeitsplätze sichern durch Waffenlieferungen in ferne Länder - gar Diktaturen?
  • Wenn Klimaforscher weltweit warnen vor dem drohenden Kollaps - als Folge unseres Wirtschaftens, unseres Konsum- und Wegwerfverhaltens?
  • Wenn Armutsforscher vor der immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich warnen / oder man schweigt zu dem Problem, dass 800 Mill. Menschen weltweit hungern, bzw. daran sterben?

Solange jeder nur an seine eigenen Interessen denkt, solange wird die Welt keinen echten Frieden finden. Auch Papst Franziskus beklagt dies und sagt: „Unsere Wirtschaft tötet“. Und gleichzeitig fordert er die Umkehr zu ganzheitlichen und ökologischen Lösungen.

 

 Aber auch die Kirche ist schuldig und hat ein Glaubwürdigkeitsproblem allerersten Ranges - denken wir nur an den Umgang mit dem jahrzehntelangen Missbrauch. Zu lange geschwiegen, Vertrauen missbraucht, faule Kompromisse gemacht und Menschenrechte verletzt. Oder die Ungleichbehandlung zwischen Mann und Frau in der katholischen Kirche. „Gleichberechtigung – Punkt – Amen“, stand auf einem der Plakate der Bewegung Maria 2.0 bei der Bischofsweihe im Juni 2019 in Freiburg. Gläubige - nicht nur die Frauen - fordern die Umkehr zu einem menschenfreundlichen und geschwisterlichen Verhalten, das die gleiche Würde von Mann und Frau, von Klerikern und Laien, nicht nur in Worten proklamiert, sondern auch in Diensten und Strukturen sichtbar macht.

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wer also Frieden und Gerechtigkeit will, muss sich auch dafür einsetzen und dafür kämpfen. Klar, im Sinne Jesu, Stellung beziehen, die Missstände beim Namen nennen und Konflikte dort nicht scheuen, wo menschliche Werte missachtet werden. Nie aber wird ein Christ versuchen, seine Gegenspieler zu besiegen. Auf Gewalt wird er immer verzichten und kann so dann auch wieder Versöhnung bewirken. Im Extremfall ist sogar die Bereitschaft zum Leiden, oder gar zum Tod, gefordert. Martin Luther King sagte einmal: „Unsere Fähigkeit zu lieben und zu leiden, muss größer sein als der Hass derer, die uns bekämpfen und unterdrücken“.   Amen