35 Christus in Cordibus


Das Reich Gottes ist nahe

Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - MK 1,12-15

 

"Und gleich treibt der Geist ihn hinaus in die Ödnis. Und er war vierzig Tage in der Ödnis, vom Satanas versucht. Und er war mit den Tieren, und die Engel dienten ihm. Nachdem aber Johannes ausgeliefert war, kam Jesus nach Galiläa, um zu künden die Heilsbotschaft Gottes. Er sagte: Erfüllt ist die Zeit und genaht das Königtum Gottes. Kehrt um! Und: Glaubt der Heilsbotschaft!"


Predigt in der Fastenzeit 2015


Christus im Herzen

Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde,

am Aschermittwoch ist alles vorbei – die Schwüre von Treue, sie brechen entzwei; heißt es in dem alten Karnevalslied. Die einen freuen sich, die anderen sind traurig. Denn ja – die Tage der Narretei und der ausgelassenen Freude sind tatsächlich vorbei, das Band aber zwischen Gott und seiner Schöpfung bricht niemals entzwei. Im Gegenteil. Denn „Ich habe mit Dir, deinen Nachkommen und allen Lebewesen einen Bund geschlossen“ sprach Gott heute in der Lesung aus dem Buch Genesis zu Noah. Immer wieder wird Gott diesen Bund danach bestätigen – mit Jakob, mit Abraham, mit Moses – und durch Christus, seinen Sohn, als den ‚Mittler‘ des neuen Bundes – letztendlich auch mit uns. Deshalb dürfen wir heute wieder neu und voll Vertrauen auf die vor uns liegende Fastenzeit schauen. Die vierzig Tage der Besinnung, der Neuorientierung, der Vorbereitung auf Ostern. Denn ich weiß – ich bin begrenzt und schuldhaft und schwach und ich habe auch wieder Fehler gemacht. Aber ich kann zu diesen Fehlern stehen, weil du – Herr – mich kennst. Besser als alle anderen und besser vielleicht, als ich mich selbst. Und so möchte ich mich einfach erneut deiner barmherzigen Liebe anvertrauen – und einfach wieder neu beginnen.

Seit je her ist es Brauch in der Fastenzeit – wie der Name schon sagt – zu fasten, also auf etwas zu verzichten. Zum Beispiel auf das Stück Kuchen, auf den Alkohol, die Zigaretten – oder am Freitag die Wurst bzw. das Fleisch, was uns, weil wir ja schon alles haben, vermutlich nicht sonderlich schwerfällt. Aber wie wäre es mit einem Internet- oder Smartphone-fasten – mal vierzig Tage lang auf Facebook oder Twitter verzichten? Nun – zumeist bin ich mir gar nicht bewusst, dass es Abhängigkeiten auch in meinem Leben gibt, die mich einschränken und daran hindern, wirklich frei und intensiv zu leben. Deshalb lohnt sich, jetzt gleich zu Beginn der Fastenzeit zuerst zu überlegen, wo solche Bindungen tatsächlich bestehen. In meinem Alltag, in meinen Gewohnheiten, in meiner Spiritualität? Die Frage also, was lohnt sich wirklich und worauf kommt es letztlich, in meinem ganz persönlichen Leben, an? Aber auch – was kann ich noch schaffen, wozu reicht die Kraft, was ist realistisch und möglich? Wirkliches Leben hat deshalb für uns Christen immer auch etwas mit Gott zu tun. Gemäß der Aussage Jesu: „Ohne mich könnt ihr nichts – mit mir aber könnt ihr alles tun.“ Letztlich liegt hierin der Schlüssel zu einem Umdenken, die Einladung, sich und sein Leben neu einzustellen.

Auch Jesus musste sich zu Beginn seiner Verkündigung genau dieser Herausforderung stellen, wenn er heute wieder vom Geist – übrigens der gleiche Geist, der ihn vor einigen Wochen bei seiner Taufe als Sohn Gottes offenbarte – in die Wüste geführt wird. Die Wüste, zum einen ein lebensfeindlicher und todbringender Ort, zum anderen aber auch ein Ort der Gottesbegegnung und der totalen Verwiesenheit auf sich selbst, und auf Gott. Deshalb sind auch für Jesus die Versuchungen – gerade beim Evangelisten Markus – absolut. Es geht ums Ganze, um Sein oder Nichtsein, um Leben oder Tod. Dadurch aber, dass er widersteht, kann er Gott mehr und mehr erfahren, und eine immer tiefere Beziehung und Bindung zu ihm aufbauen. Das ist übrigens bei uns genauso. Markus schildert es ganz einfach und eindrucksvoll und auf den Punkt gebracht. Von seiner Theologie bin ich immer wieder begeistert. Es spielt also eine ganz entscheidende Rolle – zu widerstehen – oder nicht. Damit uns dies auch bewusst wird und immer besser gelingt, bitten wir Gott im ‚Vater unser‘, er möge uns helfen, nicht in Versuchung geführt zu werden. Er möge uns helfen zu widerstehen. Er möge uns helfen, unsere Schwachheit und Begrenztheit zu erkennen und zu akzeptieren, denn nicht alle Möglichkeiten eines Lebens können ausgeschöpft, und nicht jedes Erlebnis kann mitgenommen werden. Diese Tatsache steht in krassem Widerspruch zu einer Kultur, die uns weismachen will, dass jederzeit alles möglich und machbar ist.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus Jesus,

wenn wir uns gerade auch deshalb zu Beginn der Fastenzeit unter das Aschenkreuz stellen – die Asche also in diesem Bewusstsein annehmen – ist dies zunächst einmal ein ganz starkes Zeichen, mit dem wir uns zu unserer Vergänglichkeit bekennen.

Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“, so wird es der Priester oder der Diakon, uns im Namen Gottes zusagen, und uns segnen. Jetzt liegt es an uns, umzukehren, und wieder neu das Evangelium in den Blick zu nehmen. Ernst machen mit der Nachfolge Christi – gemäß dem Leitspruch unseres neuen Erzbischofs Stefan – und was ich auch Ihnen und mir für die kommende Zeit der Besinnung und Umkehr von Herzen wünsche: „Christus in unseren Herzen – Christus in Cordibus.“ Amen.