16 Schöpfung und Mensch

Theologische Arbeit im Fach Moraltheologie


Das Menschenbild in den Schöpfungsberichten

Die beiden Schöpfungsberichte (Gen 1,1 – 2,24) beinhalten wichtige Aussagen über den Menschen sowie über seine Stellung in der Welt und der Natur.

 

Gen 1,1 – 2,4 a: Der Mensch ist als Abbild Gottes geschaffen. Dadurch kommt ihm eine Heiligkeit zu. Im Abbild-sein liegt die Würde des Menschen begründet. Er ist von seinesgleichen als ein Abbild Gottes zu achten. Seine Würde ist so unantastbar wie diejenige des Schöpfers. Als Abbild Gottes hat er aber zudem auch eine bejahende schöpferische Anlage. Die Schöpfung ist ihm anvertraut dergestalt, dass er kreativ in ihr wirkt. Dabei ist die Einschränkung der menschlichen Kreativität durch die schöpfungsmäßige Gewolltheit und Gutheit der Welt gegeben. Der Mensch ist Beauftragter und Repräsentant Gottes in der Welt.     Zur Vertiefung dieses Themas - bitte hier klicken

 

Gen 2,4 b – 2,24: Der Mensch bildet gleichsam ein Wesen zwischen Gott (belebt durch Gottes Hauch) und der materiellen Welt (von der Erde: adamah). Er scheint noch vor den Pflanzen und Tieren erschaffen zu sein und wird so als Haupt der Schöpfung herausgehoben. Alles ist von Gott erschaffen. Der Mensch ist nicht das Produkt der Natur, sondern der von Gott in die Welt gesetzte Partner Gottes. Er ist auf Gemeinschaft hin geschaffen, als soziales und geschlechtlich[1] bestimmtes Wesen. Er hat als Ebenbild Gottes Anteil an der Herrschaft Gottes über die Welt.     Zur Vertiefung dieses Themas - bitte hier klicken

Die Stellung des Menschen in der Natur

Gen 1,1 – 2,4 a: Die von Gott – dem Schöpfer des Himmels und der Erde – aus dem Chaos gestaltete und von ihm als gut bzw. sehr gut bezeichnete Schöpfung wird dem Menschen anvertraut. Alles auf Erden und die Erde selbst verdankt sich der schöpferischen Liebe Gottes. Die Weltwirklichkeit ist zu bejahen und zu bewahren. Sie ist vom Schöpfer gewollt. Die Sonderstellung des Menschen in der Schöpfung zeigt uns, dass wir für die Erhaltung und Gestaltung der Schöpfung verantwortlich sind.                                    

 

Gen 2,4 b – 2,24: Das Gelingen menschlichen Lebens ist auf die Zuwendung Gottes angewiesen. Gott sorgt für ihn. Der Mensch ist dabei frei, diese Zuwendung anzuerkennen. Die ursprüngliche Aufgabe des Menschen in der Welt ist ein Bebauen und Behüten. Diese Arbeit ist ursprünglich nicht mit Mühsal verbunden. Die Tiere werden dem Menschen von Gott zugeführt, damit er sie benenne. Die Namensgebung ist ein Akt der Herrschaftsübernahme. Die Tiere stehen dem Menschen unter dem Leitgedanken des Pflegens und Behütens zur Verfügung. Sie sollen auch nicht Nahrung des Menschen sein. Die ursprüngliche Schöpfung wird geschildert als idealer Zustand des Menschseins, der durch den Sündenfall verloren wurde.

Regeln für ein sittlich vertretbares Handeln in Bezug auf die nichtmenschliche Natur

Die Gottebenbildlichkeit und Mitgeschöpflichkeit verwehren dem Menschen nicht, Eingriffe in die Schöpfung vorzunehmen. Um seine Grundbedürfnisse abdecken zu können, muss der Boden erschlossen, die Landschaft kultiviert und sowohl pflanzliche wie auch tierische Nahrung beschafft werden. So schließt auch der rechte Gebrauch der Dinge immer schon ein gewisses Maß an Zerstörung ein. Der Mensch kann nur überleben, indem er in Leben eingreift. Im Gottesglauben werden wir aber auf die doppelte Verpflichtung zum Beherrschen[2] und Behüten der Schöpfung verwiesen[3]. In der heutigen Bedrohung der Schöpfung durch den Menschen motiviert uns der Schöpfungsauftrag in besonderer Weise zu solchen Einstellungen und Grundhaltungen, die es ermöglichen, Leben zu erhalten und zu fördern, Leid zu vermeiden oder zu vermindern und Zerstörung zu begrenzen oder zu verhindern. Es ergibt sich die Forderung nach einer Vertiefung und Verstärkung unserer Verantwortung für die Gestaltung und Bewahrung der Schöpfung. Gefordert ist:

  • Eine Erfurcht vor der Natur und den ihr von Gott gegebenen Sinngestalten und Ordnungsstrukturen; (Probleme sind z.B. Müllberge, Verknappung der Rohstoffe, Verschmutzung des Wassers und der Luft, Verseuchung der Landschaft).
  • Ein geschärftes Gespür für die Mitgeschöpfe und für alles Lebendige; (Probleme sind z.B. Ausrottung von Tierarten, Tierhaltung, Tiertransporte, Tierexperimente).
  • Eine größere Weitsicht bezüglich der Schäden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
  • Eine kritischere Einstellung zu Konsum und Verschwendung[4];  (Probleme sind z.B. ein übersteigerter Konsum, ein Überangebot von Gütern).
  • Eine Spiritualität der Begrenzung, die auf den Vorrang des Habens vor dem Sein verzichtet[5].

Technik, Wirtschaft und Ökologie sind innere Momente der umgreifenden Individual- und Sozialethik. Sie sind Ausdruck und Auftrag des Menschen. Sie sollen so gestaltet werden, dass sie nicht unsere eigene Lebensgrundlage zerstören.


[1] Die Ehe als Einheit von Mann und Frau ist in der Schöpfung zugrundegelegt.

[2] Das hebräische Wort für „Herrschen“ ist der Nomadensprache entnommen und meint ein „Weiden“ und Sich-sorgen um eine anvertraute Herde.

[3] Vgl. Gen 1,26; Gen 2,15;

[4] „Das wenige, das du tun kannst, ist viel“ (Albert Schweitzer).

[5] Der Wert des Menschen liegt mehr in ihm selbst als in seinem Besitz.