17 Maria & Marta


Sag ihr doch sie soll mir helfen

Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - LK 10,38-42

 

"Als sie weiterwanderten, kam er in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn in ihrem Haus auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria gerufen wurde. Die hatte sich dem Herrn zu Füßen gesetzt und hörte sein Wort. Marta aber musste sich schinden mit vielen Diensten. Und sie trat auf und sprach: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein dienen lässt? Sag ihr doch, dass sie mit mir zufasst. Der Herr aber hob an und sprach zu ihr: Marta, Marta! Du sorgst dich und regst dich über vieles auf; aber man braucht nur eins. Maria hat sich also den guten Teil gewählt, der ihr nicht genommen werden soll."


Predigt im Jahreskreis 2010


Maria hat das Bessere gewählt

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn,

in Todesanzeigen lesen wir oft: „Sein ganzes Leben war Mühe und Arbeit.“ Hier hat also jemand viel geschafft – hat sich unermüdlich für das Leben und seine Lieben eingesetzt. Hohes Ansehen und viel Wertschätzung genießt so jemand. Denn, Leistung und Erfolg zählen nun mal viel – in unserer Leistungsgesellschaft. Wirtschaftlich – keine Frage – haben wir’s weit gebracht. Und trotzdem. Sind wir nicht doch irgendwo stehen geblieben? Oder etwas provokant gefragt: Sind nicht die Bäuche voll, die Herzen aber leer? Schauen wir im heutigen Evangelium zunächst einmal auf Marta, die Schwester der Maria und des Lazarus. Eine tüchtige und fleißige Frau, mit viel Sach- und Hausverstand. Langeweile ist ihr fremd. Und bestimmt ist sie uns auch deshalb so sympathisch, weil wir sie gerade dort finden, wo auch wir uns engagieren. Daheim, im Beruf, im Verein, in der Gemeinde. Dabei erfahren wir bei dem, was wir für andere tun ganz oft Erfüllung, Zufriedenheit und Glück. Manchmal aber sind wir auch müde, überfordert, leer und ausgepumpt. Vor lauter Bäumen sehen wir den Wald nicht mehr.

In der Ruhe liegt die Kraft“, sagt ein altes Sprichwort und lädt uns ein, zu schweigen und zu betrachten. Einfach in der Stille der Zeit wieder neue Kraft tanken, zu sich selbst finden, zu Gott finden. Denn Gott in meinem Leben, meinem Alltag zu begegnen – das ist meine innere Überzeugung – ist die tiefste Sehnsucht unseres Herzens. Jesus selbst ging, um diese Erfahrung zu machen, selbst immer wieder in die Einsamkeit der Natur, z.Bsp. in die Wüsten des Sinai oder auf den Tabor oder den Ölberg. Jesus sagt: „Maria hat das Bessere gewählt, es soll ihr nicht genommen werden.“ Dies heißt mit anderen Worten: Jetzt ist das sozusagen Bessere nötig. Jetzt wo Jesus da ist, gibt es eben nichts Wichtigeres, als auf das, was er zu sagen hat, zu hören. Der Mensch ist doch nicht so viel wert, wie er leistet oder gar, wie er besitzt. Bei uns oft schon, aber in den Augen Gottes niemals – sondern er gilt vielmehr etwas in dem Maß, als er sich öffnet und sich durch Gottes Wort zu einem neuen Menschen entwickeln wird. Die Aktion allein genügt deshalb eben nicht – sondern sie muss im Hören auf Gottes Wort begründet sein. Und der, der sich täglich hineinhört und hineinbetet in das größere Geheimnis Gottes, weiß dann auch um das Geheimnis seines eigenen Menschseins. Er wird im Glauben genau das empfangen, was ihn in der jeweiligen Situation heiter, frei, froh, glücklich, gelöst und gelassen machen wird. Jede und jeder will doch einmal sagen können: „Mein Leben hat sich gelohnt – war sinnvoll. Im Großen und Ganzen bin ich – so wie’s gelaufen ist – zufrieden und glücklich.“

Noch ein weiterer Aspekt: Auch wissenschaftlich und technisch sind wir weit gekommen. Aber konnten wir auch menschlich und ethisch Schritt halten? Wohl doch eher nicht. Denn in persönlichen Lebensbereichen geht es mitunter steil bergab. Immer mehr Menschen werden immer weniger mit sich und ihrem Leben fertig. So leben beispielsweise viele über ihre Verhältnisse. Das, was sie nach außen hin leisten, ist nach innen hin nicht abgedeckt. Man tut zwar alles Mögliche – nur das Eine, das Notwendige – es kommt zu kurz, oder es fällt ganz aus. Einmal fragte Jesus seine Jünger: „Welcher von beiden ist größer: Wer bei Tisch sitzt oder wer bedient?“ Und dann sagte er weiter: „Natürlich der, der bei Tisch sitzt. Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.“ Er ist es also, der uns bedient. Und wir brauchen nur zu ihm zu kommen, bei ihm verweilen, uns zu ihm hinsetzen, ihm zuhören. Bruder Benedikt sagt: „Nichts ist dem Gebet vorzuziehen.“ Und ich sage: „Nichts ist Jesus Christus vorzuziehen.“ Zu ihm gibt es keine Alternative. Er ist die erste und die beste Wahl. Was er zu geben hat – das hat sonst niemand zu geben.

Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde,

es ist, ganz offen gesagt, auch eines meiner Hauptmotive, weshalb ich in die Berge und in die Natur gehe, und auf das Fernsehen so gut wie ganz verzichte. Am schönsten aber beschreibt es der Apostel Paulus in einem seiner Briefe. Sein Lebensprogramm wünsche ich Ihnen und mir von ganzem Herzen. Er sagt sinngemäß: „In der Erkenntnis Jesu Christi ist alles andere in meinem Leben sinnlos und ohne Bedeutung. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben, um ihn zu gewinnen und in ihm zu sein.“

Hören wir abschließend den Text eines Liedes im Gotteslob von Lothar Zenetti: „1. Worauf sollen wir hören, sag uns worauf? So viele Geräusche, welches ist wichtig? So viele Beweise, welcher ist richtig? So viele Reden! Ein Wort ist wahr. 2. Wohin sollen wir gehen, sag uns, wohin? So viele Termine, welcher ist wichtig? So viele Parolen, welche ist richtig? So viele Straßen! Ein Weg ist wahr. 3. Wofür sollen wir leben, sag uns, wofür? So viele Gedanken, welcher ist wichtig? So viele Programme, welches ist richtig? So viele Fragen! Die Liebe zählt.“ Amen.