Tag 6 Hüttenaufstieg


Montag, 01.05.2006 / Lucknerhaus / Aufstieg zur Stüdlhütte / Hüttenübernachtung

Die Nacht war eisig kalt. Alle Fenster sind zugefroren und von innen mit einer dicken Eisschicht belegt. Bis um 8.00 Uhr liege ich im warmen Schlafsack und lese. Jetzt ist es aber schon nach 10.00 Uhr - die ersten Tourengeher kommen auch schon vom Berg zurück. Also - du brauchst das Glück nicht heraus zu fordern! Ich mache rund herum schöne Fotos. Dann buche ich erneut ein Nachtlager auf der Hütte und frühstücke erst mal. Alles ganz gemächlich. Dann - beim Kochen, schießt plötzlich eine Flamme hoch. Ich hatte gerade eine volle 1,5 L-Flasche Wasser in der Hand, die ich sofort in die Flammen goss. Aber das Feuer brennt noch - direkt neben der Gasflasche. Alles fliegt in die Luft, denke ich. Da fällt mir ein, den Haupthahn zu zudrehen. Blitzartig. Und das war's dann. Kein Gas mehr - kein Feuer. Einige meiner Sachen, Schlafsack, Decke und Mütze sind angebrannt. Die genaue Untersuchung ergibt als Ursache, dass die Schraubverbindung zum Kocher sich gelockert hatte. Mein Bruder sagte noch, dass ein Festziehen mit dem Schraubenschlüssel nicht notwendig wäre. Das wird mir aber für die Zukunft wieder mal eine Lehre sein! Ich habe dann noch zu Ende gefrühstückt, Morgentoilette gemacht und all meine Sachen gerichtet.

Etwa gegen 11.00 Uhr steige ich auf. Ein Aufstieg, der zunehmend beschwerlicher wird. Es ist zu spät - jetzt in der prallen Mittagssonne - ein echter Anfängerfehler. Ich muss fast alles ausziehen, weil ich richtig dampfe und 'heiß laufe'. Dementsprechend schwer wird auch mein Rucksack. Bei der Lucknerhütte könnte man den Rucksack für 4 Euro mit der Materialbahn hochfahren lassen, was ich aber nicht will. Irgendwie hat man doch seinen Stolz. Die Wettervorhersagen für gestern und heute haben nicht gestimmt. Die Leute nämlich, die gestern früh zur Hütte aufgestiegen sind, haben allesamt Glück gehabt. Sie kommen mir jetzt, 'den Gipfel im Gepäck', entgegen. Mit einigen rede ich kurz. Andere lassen sich erschöpft oder vor Freude in den Schnee fallen. In den steilen Südhängen bekomme ich ein mulmiges Gefühl, es liegt enorm viel Schnee. Ich habe Angst davor, eine Lawine auszulösen. Starke Übersäuerung muss ich hier, aufgrund meiner 'Sprints' immer wieder in Kauf nehmen. Ich gratuliere einigen. Es sind hier erstaunlich viele Polen unterwegs. Weil ich generell zu schnell gehe ist mir mein Pulsmesser und mein Jesusgebet eine große Hilfe. Ganz langsam Josh oder Jeschu oder Jesus sagen - aber nur in Gedanken und bei jedem Schritt. 10 Mal - 100 Mal - 1000 Mal - 10000 Mal - wie Pater Harald von Maria Lindenberg. Gegen 16.00 Uhr komme ich zur Stüdlhütte*10 auf 2801 Meter und bin ziemlich 'platt'. Man rätselt lange, wo die Hütte ist? Man sieht sie erst sehr spät, was für die Psyche nicht gerade vorteilhaft ist. Ich melde mich an und lege mich dann, wie ich es nach Hüttenankünften zu tun pflege, für 1 - 2 Stunden hin. Das Abendessen war sehr üppig und zu reichlich, was an mir liegt. Ich war schon immer ein schlechter Esser. Ich stelle fest, dass ich mir ganz schön 'den Pelz' verbrannt habe. Früh gehe ich zu Bett. Es ist ein sehr heimeliges, warmes Lager. Im Vergleich zum Autobiwak - ein echter Luxus. Und das für 9 Euro. Bei meinem nächtlichen Toilettengang sehe ich, dass es wieder schneit und stelle mich darauf ein, dass es wohl morgen früh - mit dem Gipfelgang - wieder nichts wird.

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*10 Die Stüdlhütte liegt in der sogenannten Fanatscharte am Fuße des Stüdlgrates des Großglockner auf einer Höhe von 2801 Meter. Die erste Hütte, finanziert von Johann Stüdl, wurde 1868 eröffnet. Der heute bestehende, moderne Neubau, wurde im Juli 1997 eingeweiht.

                                                                                                                                                                                         5  Tag 6  7