28 Die Faszination Jesu

Theologische Arbeit im Fach Fundamentaltheologie


Die besondere Faszination und Glaubwürdigkeit der Person und Botschaft Jesu

Was mich an Jesus von Nazareth am intensivsten berührt, ist, neben seiner in sehr anschaulichen und allgemein verständlichen Bildern vermittelten Lehre und Botschaft vom Reich Gottes, seine Leidenschaft und Fähigkeit, wie er den Menschen z.B. den Armen, den Sündern, den Kranken, seinen Jüngern, aber auch den Pharisäern begegnete. Jesu Worte und Taten waren kongruent, so dass sich den Menschen, die ihm gegenüber offen waren und an ihn glaubten, völlig neue Perspektiven und Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem oft schweren und verzweifelten Leben auftaten. Er sprach mit mächtigem Geist und großer Überzeugungskraft. Seine Kunst zu reden oder zu antworten löste beim Gegenüber eine innere Betroffenheit, manchmal sogar ein Erstaunen oder gar ein Erschrecken aus. Die Menschen spürten, dass hier einer ist, der wirklich etwas zu sagen hat und mit (göttlicher) Vollmacht spricht und handelt. Jesu Worte bewegten die Menschen, es traf sie mitten ins Herz; natürlich vorausgesetzt sie ließen sich (in ihrer selbst verantworteten und persönlichen Freiheit) bewegen und treffen. Hier wiederum spielte das Vertrauen und der Glaube an die Person Jesu Christi die alles entscheidende Rolle. Er begegnete jedem auf eine individuelle, persönlich liebende Art und Weise, wie es kein Mensch vor ihm jemals getan hatte. Selbst nach seinem Tod war und ist dies der Fall, letztendlich bis hin zum heutigen Tag. Die hierbei von ihm gelebte Liebe wirkt auf mich grenzenlos und ist wohl mit den Möglichkeiten der menschlichen Vernunft kaum zu erfassen.

Die Begegnungen zwischen Jesus und seinen Mitmenschen verliefen immer ganzheitlich. Hierbei erhielten die Menschen von Jesus vollumfänglich und bedingungslos ihre verlorengegangenen menschlichen Werte wie Menschenwürde, Ansehen, Mut, Hoffnung, innere Mitte, Freiheit und Handlungsfähigkeit zurück. Er sah und sprach (z.B. „Was soll ich dir tun“‘?) die Menschen so an, dass sie ihre Angst überwinden, Heilung erfahren, und plötzlich ein ganz anderes bzw. neues Leben beginnen konnten. Dabei kam es auch immer wieder zu direkten körperlichen Kontakten (z.B. Berührungen). Diese Verhaltensweisen sind immer wieder und ganz besonders bei den vielen Krankenheilungen zu finden. Blind, taub, gelähmt, stumm, aussätzig, ohnmächtig und handlungsunfähig ist der kranke Mensch ja in erster Linie nach innen. Hierbei ist nicht so sehr das Wunder (magischer Effekt), sondern der Glaube und die Erkenntnis der Einzigartigkeit und der Vollmacht der Person Jesu Christi bedeutend.

Somit war und ist die Begegnung mit Christus für den offenen und suchenden Menschen eine zutiefst, an Körper, Geist und hauptsächlich an der Seele heilende Begegnung. Das ‚Wie‘ ist so im praktischen Lebensalltag entscheidend und bestimmt die Qualität der Beziehung zwischen Jesus (als Gottes Sohn und Erlöser) und den Mitmenschen. Jeder ist zur Christusnachfolge berufen und kann so selbst für die persönlich offenbarte Wahrheit in Wort und Tat seinerseits Zeugnis geben. Die z.B. in den Evangelientexten geschilderten Ereignisse wurden von den Menschen der damaligen Zeit erfahren und durchlebt. Es kam zunächst zur mündlichen Überlieferung durch Gespräch und Reflexion, später dann zur schriftlichen Überlieferung. Es drängte die Zeugen zunehmend, ihre erlebte Wahrheit zu vermitteln. Dies ist begründet in der persönlichen Betroffenheit und Ergriffenheit der Augen- und Ohrenzeugen, die das Handeln Gottes ja an ihrem eigenen Leib verspürt hatten (Erfahrungen der Jünger Jesu mit ihrem Meister). Hätte diese emotionale und subjektiv erlebte Betroffenheit und Gotteserkenntnis gefehlt, so wäre es wohl kaum zu einer mündlichen, schon gar nicht zu einer solch qualitativ hochwertigen literarischen Form der schriftlichen Überlieferung der vier Evangelientexte gekommen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre dann auch nicht die Treue der Jünger zur Christusnachfolge und erst recht keine apostolische Kirche in Bewegung gekommen. Die Botschaft wäre es nicht wert gewesen, weiter transportiert und vermittelt zu werden. Die ‚Informationen‘ hätten sich wohl sehr schnell im Lauf der Geschichte verloren.

Jedoch entwickelte sich das genaue Gegenteil. Es drängte die Zeugen initiativ zu werden. Sie wollten, ja sie mussten sich mitteilen. Ihre Geschichten waren so lebendig und bedeutsam, dass sie dringend für die Nachwelt, erst mündlich, später dann schriftlich, festgehalten werden mussten. Den Drang zum Zeugnis empfanden die damaligen Zeitzeugen weniger aus sich heraus, als vielmehr von Gott berufen und gesandt. Ihm gegenüber spürten sie sehr große Verantwortung. Sie fühlten sich sozusagen zum Zeugnis verpflichtet. In diese Pflicht waren sie gegenüber Gott und sich selbst, als an Gott glaubenden Menschen, eingebunden. So betrachtet wurde das Zeugnis für die Zeugen lebensnotwendig, da es aus dieser Begegnung mit den Anderen seine Lebendigkeit bezog. Hierbei konnten sich die Zeugen wieder selbst neu entdecken. Diese tiefe Sicht des Geschehenen wurde allerdings erst nach der Auferstehung Jesu, der seinen Jüngern selbst die Augen öffnete und sie als seine Zeugen benannte und beauftragte, transparent (z.B. Lk 24,44 – 48 aber auch Lk 1,2). Diese Zeugen handelten, so gut sie eben konnten und genauso wie Jesus, mit göttlicher Vollmacht. Sie fühlten sich als ‚Werkzeuge Gottes‘ und kündeten sozusagen mit ihren Worten das Wort Gottes, indem sie einfach versuchten zu schildern, was ihnen widerfuhr (Gottes Wort im Menschenwort). In einem authentischen Zeugen kann deshalb das Geheimnis des Gottmenschen Jesus Christus erahnt werden. Dies ist genau das, was die Menschen dann berührt, wo sie spüren, wo ihnen die Augen aufgehen, und sie zunehmend erkennen, wer er ist (Erkennen der christlichen Glaubenswahrheiten und der unermesslichen Liebe Gottes). Solche an Leib, Geist und Seele geheilte und erkennende Menschen werden versuchen, Christus immer und überall treu zu bleiben. Wenn es sein muss und es der Wille Gottes ist, werden sie, sich ihrer geistigen Freiheit und Gottverbundenheit bewusst, sogar Blutzeugnis für die christliche Wahrheit (Martyrium) ablegen.